Ferne Welteninseln
Über die wunderbare Welt der Galaxien am Südsternhimmel - Anhang und technische Daten
Neben all den Galaxien hat mich natürlich auch interessiert, ob das hier verwendete Equipment für die Fotografie von Emissionsnebeln und anderen Objekten mit größeren, farbintensiven Anteilen geeignet ist. Als Beispiel dienen hier M 20 (Trifidnebel, links) und NGC 7293 (Helixnebel, rechts).
Es wurde die gleiche Aufnahmetechnik und Bildbearbeitung wie bei den oben gezeigten Fotos der Galaxien angewandt. Ich bin sehr zufrieden über die – auch ohne Schmalbandfiltern und entsprechend lange Belichtungszeiten - sehr guten Ergebnisse!
Links: M 20 (NGC 6514 - Trifidnebel) – Belichtungszeit 120 Minuten, Seeing 2,8“
Rechts: NGC 7293 – Helixnebel – Belichtungszeit 160 Minuten, Seeing 2,9“
Im Folgenden nun die Beschreibung der verwendeten Technik und der Aufnahmeparameter. Es werden die Themen Kamerarauschen, minimale Belichtungszeit, Dynamikumfang der Kamera, Auflösung des optischen Systems, atmosphärisches Seeing und Bildbearbeitung behandelt.
Das Kamerarauschen in Abhängigkeit von der Chiptemperatur
Die nebenstehende Grafik zeigt das Rauschen von Dunkelbildern meiner ASI071MC Pro in Abhängigkeit von der Chiptemperatur.
Diese bei jeweils 600 Sekunden Belichtungszeit gewonnenen Werte für das Rauschmaß zeigen, dass bei -10 °C das Ausleserauschen zu 98% zum Gesamtrauschen beiträgt – den Chip tiefer herunter zu kühlen verbessert das Rauschen also nur wenig!
Das Ausleserauschen meiner Kamera beträgt 3,15 Elektronen – das Datenblatt gibt einen Wert von 3,2 Elektronen an – eine sehr gute Übereinstimmung!
Alle Aufnahmen für diesen Bericht wurden daher bei Chiptemperaturen von -10 °C oder darunter erstellt.
Die Ermittlung der minimalen Belichtungszeit
Um bei Astroaufnahmen ein gutes Signal-/Rauschverhältnis zu erzielen, sollte das Photonenrauschen des Himmels (sky noise) stets einen größeren Anteil beitragen als das Auslese- und Dunkelstromrauschen (read noise und dark noise).
Ist das Hintergrundrauschen des Himmels dominant, spricht man von der Aufnahme als „himmelsbegrenzt“ (sky-limited). Damit die anderen Rauschanteile nur noch eine geringe Rolle spielen, sollten sie (in Summe) mindestens um den Faktor 2 (mehr ist besser) geringer sein!
Je heller der Himmelshintergrund nun ist, desto höher ist auch das Himmelsrauschen. Und zwar steigen die Werte aus der Quadratwurzel des Photonenrausches des Himmels linear mit der Helligkeit des Himmelshintergrundes. Dies konnte ich an realen Messwerten von mir nachvollziehen (siehe Grafik).
Die Werte für die Helligkeit des Himmelhintergrundes habe ich meinem Protokollbuch über die mit dem Sky Quality Meter ermittelten Helligkeitswerte für verschiedene Nächten entnommen (5x Kiripotib, 2x zu Hause), das Himmelsrauschen aus den zeitgleich erstellten Aufnahmen mit Fitswork und nach Abzug des Ausleserauschens ermittelt (wiederum für die für diesen Bericht verwendete Kamera ASI071MC Pro in Kombination mit der Vixen-Optik VC200L (Öffnungsverhältnis 1:9) bei 600 Sekunden Belichtungszeit.
Nun entsprechen 0,0002 cd/m x m einem Wert von 21,8 mag/arcsec x arcsec und damit in etwa dem „dunkelsten in Namibia anzutreffenden Himmel“. Das Himmelsrauschen beträgt laut Grafik unter diesen Bedingungen bei meinem Equipment etwa 2,5 x 2,5 = 6,25 Elektronen und ist damit recht genau um einen Faktor 2 größer als das Ausleserauschen (3,15 Elektronen). Der dunkelste Himmel in Namibia erforderte nach diesen Überlegungen für mein Equipment also eine minimale Belichtungszeit von 600 s. Dies war dann auch die Standard-Belichtungszeit, die ich für alle Einzelaufnahmen verwendet habe.
Dynamikumfang der ASI071MC Pro und Datenformat
Um die Sammelkapazität der einzelnen Pixel (full well capacity, FWC) der Kamera von 0 bis 46.000 Elektronen in vollem Umfang nutzen zu können, betreibe ich die Kamera stets bei kleinster Verstärkung (Gain = 0).
Als Steuer- und Aufnahmesoftware verwende ich standardmäßig MaximDL. Bei der ASI071MC Pro konvertiert das Programm die Rohdaten der Kamera (14 Bit Auflösung) ins FITS-Format mit 16 Bit Auflösung. Die aus den im FITS-Format abgespeicherten Rohbildern ausgelesenen Werte für die einzelnen Pixel (Analog-Digital-Units oder ADU) rechnen sich wie folgt in „Elektronen“ um: Elektronen = ADU * FWC / 16 Bit
Auflösung des Systems Optik/Kamera
Mit einen Pixelgröße von 4,78 Mikrometer im Quadrat ergibt sich für die Auflösung des hier verwendeten Systems Kamera und Optik ein Wert von 0,55 Bogensekunden/Pixel (pixelscale). Dieser Wert passt einigermaßen zum Dawes-Limit des Systems von rund 0,7“. Von Vixen wird für das VC200L aber eine Punktgröße (spotsize) der Sternabbildungen von 15 Mikrometer über das gesamte Feld angegeben. Dies entspricht bei der hier gegebenen Pixelgröße und „pixelscale“ einer kleinsten erreichbaren Halbwertsbreite (Full Width at Half Maximum, FWHM) der Sternabbildungen von 1,73“. Die Auflösung liegt damit deutlich im Bereich der „Überabtastung“ (oversampling) – ein 2x2-Binning würde keine spürbare Verschlechterung der Sternabbildungen ergeben (habe ich allerdings nicht angewandt).
Atmosphärisches Seeing und der Jetstream
Die in einem Astrofoto sichtbare Unschärfe B von Sternabbildungen (blur) entsteht durch die Überlagerung verschiedener Einflüsse. Die wichtigsten sind hier:
1. Spot-size des verwendeten Teleskops (T): für dieses Projekt 1,73“ – siehe Abschnitt Auflösung System Optik/Kamera
2. Fehler in der Nachführung (N): mit Hilfe der Adaptiven Optik wurde laut Nachführprotokoll von MaximDL ein Wert von kleiner 0,3“ (RMS) eingehalten (<0,5 Pixel bei einer pixelscale von 0,55 arcsec/pixel)
3. Seeing (S): das gemittelte und gewichtete Seeing über den Zeitraum der jeweiligen Aufnahme.
Abweichungen von der perfekten Fokuslage, zum Beispiel bei einer Fokusdrift, können bekanntlich erhebliche Auswirkungen auf die FWHM haben. Ich habe diesen Einfluss hier aber vernachlässigt, weil ich aus den Aufnahmeserien jeweils den besten Wert für die FWHM genommen habe.
Die Halbwertsbreite B des unscharf „verschmierten“ Sterns errechnet sich nun wie folgt:
B = Wurzel ((T x T) + (N x N) + (S x S))
Bei perfektem Seeing (Annahme hier 0“) und optimal eingestelltem Fokus hätte ich bei den Aufnahmen in Namibia also mindestens mit folgender „Unschärfe“ (in Bogensekunden) zu rechnen:
Wurzel ((1,73" x 1,73") + (0,3" x 0,3")) = 1,756"
Das Seeing am Beobachtungsort Kiripotib wurde nun anhand der FWHM-Werte der Einzelaufnahmen (CCD-Inspector) und mit den oben genannten Werten für T und N wie folgt berechnet:
S = Wurzel ((B x B) - (T x T) - (N x N))
Auf Kiripotib liegen die Werte für das Seeing laut verschiedener Quellen (zum Beispiel Meteoblue, nächste Station ist „Klein Nauas“) oftmals in einem Bereich zwischen 0,5“ und 0,8“. Dieser fantastische Wert wird bei den Beobachtungen in Deutschland so gut wie nie erreicht. Allerdings wird in die Betrachtung des Seeings in der Regel nicht der Einfluss des sogenannten „Jetstreams“ einbezogen. Als Jetstream bezeichnet man „sich dynamisch verlagernde Starkwindbänder im Bereich der oberen Troposphäre bis zur Stratosphäre“ (Wikipedia). Offensichtlich ist der Jetstream nicht so einfach vorhersehbar und bleibt daher bei den Vorhersagen für das Seeing unberücksichtigt. Nun ist aber (wiederum laut meteoblue auf der Seite: Speziell – Astronomical seeing) bei großen Geschwindigkeiten des Jetstream (>20 m/s) in der oberen Atmosphäre üblicherweise mit schlechtem Seeing zu rechnen.
Während meines Aufenthalts im September 2019 lagen die Werte für die Geschwindigkeit dieser Luftströmung überwiegend im Bereich zwischen 20 - 40 m/s. Dies führte dazu, dass während der gesamten Zeit die Auflösung der Aufnahmen nicht durch die Auflösung des Teleskops, sondern durch das mäßige bis schlechte Seeing begrenzt wurde.
Die ermittelten Werte für das Seeing der jeweiligen Beobachtungsnächte sind in nebenstehendem Diagramm eingezeichnet. Demnach lag das Seeing auf Kiripotib im betrachteten Zeitraum überwiegend im Bereich zwischen 2,1“ und 2,5“.
Dieser Wert wiederum gilt auch nur für Aufnahmen in der Nähe des Zenits bis herunter zu etwa 50° über dem Horizont. Näher am Horizont war das Seeing (wie zu erwarten) teilweise noch erheblich schlechter.
Lediglich die Aufnahme von NGC 55 vom 4.9.2018 kommt mit einem Seeing von 1,9“ in die Nähe der erreichbaren Schärfe und Auflösung von 1,75“, die Nacht am 11.9.2018 war mit einem Seeing von 4“ (auch in der Nähe des Zenits) sehr schlecht.
Bildbearbeitung
Für die Bearbeitung der Bilder in diesem Bericht habe ich einen (überwiegend) standardisierten Ablauf ausgearbeitet. Ziel war es, nicht „das Letzte“ aus jedem Bild herauszuholen, sondern nach der Kalibrierung der Daten in Theli mit einem überschaubaren Zeiteinsatz von rund 30 Minuten pro Bildbearbeitung (ohne die Datenreduktion in Theli) einen vergleichbaren Datensatz zu erhalten. Dabei habe ich insbesondere in PixInsight darauf geachtet, bei den einzelnen Arbeitsschritten die Standardeinstellungen des Programms zu verwenden. Hier der mit allen Datensätzen durchlaufene „workflow“, gegliedert in 11 Arbeitsschritte:
Theli: Kalibrierung, Astro- und Photometrie, Ausgabe der Kanäle R, G, B und synthetische Luminanz im TIFF-Format (Schritt 1)
MaximDL: LRGB-Komposition und Ausgabe im FITS-Format (IEEE-float) (Schritt 2)
Fitswork: Umwandlung erneut in TIFF (Schritt 3)
ACDSee: Qualitätskontrolle und Zuschnitt auf 3000 x 4000 Pixel (Schritt 4)
Photoshop: Gradationskurve anpassen (ggfs. mit Maskierung) (Schritt 5)
PixInsight: ggfs. Deconvolution, falls Sterne nicht exakt rund, Lightness CIE L*-Maske erstellen, LocalHistogrammEqualisation zur Verstärkung der Strukturen in den Galaxien, ggfs. Lightness-Maske invertieren und ACDNR zur Rauschverminderung (Schritt 6)
ACDSee: ggfs. Fehlpixel reparieren, Tonwertkorrektur (Schwarzpunkt setzen), Farbsättigung erhöhen (Schritt 7)
Fitswork: PSF (in der Regel Gauss, 1.5px) generieren und Bild mit der PSF falten zwecks, Verbesserung der Sternabbildungen (Convolution) (Schritt 8)
PixInsight: neue Lightness CIE L*-Maske erstellen, ggfs. ATrousWaveletTransform zum Schärfen der Galaxie (Schritt 9)
NeatImage: ggfs. Rauschreduzierung, aber sehr moderat wg. diverser Artefakte (Schritt 10)
ACDSee: abschließendes „Feintuning“ (Schritt 11)