Mosaike des Südsternhimmels
Vom Wunsch den ganzen Sternhimmel ablichten zu wollen
Ob visueller Beobachter oder Astrofotograf – Namibias Sternhimmel zieht jeden Hobbyastronomen in seinen Bann. Zu den relativ stabilen Wetterverhältnissen in den südafrikanischen Wintermonaten kommen die Dunkelheit, die Transparenz der Atmosphäre sowie ganz besonders der überwältigende Eindruck der südlichen Milchstraße und der Sternbilder, die aus Europa nie oder nur in Horizontnähe zu sehen sind.
Vom 08.09. – 18.09.2015 war ich daher wieder einmal auf der Astrofarm Kiripotib am Rande der Kalahari. Zum vierten Mal und diesmal auch als Betreuer der anderen Astrogäste in der September-Neumondphase. Weil mein Reisepass am Tag des geplanten Abflugs am 04.09.2015 nach Namibia keine 6 Monate mehr gültig war, kam ich leider mit drei Tagen Verspätung auf Kiripotib an. Das war nicht nur ärgerlich wegen der verpassten Nächte, sondern insbesondere mir in hohem Maße peinlich, weil ich auch die Betreuung der Gäste erst mit Verspätung übernehmen konnte. Hier noch einmal ganz herzlichen Dank an Julian Köpke und Rolf Scheffer, die vor Ort und von Deutschland aus für mich eingesprungen sind!
Leider waren in zwei Nächten auf Grund durchziehender Wolken keine astronomischen Beobachtungen möglich, in zwei weiteren Nächten kündigte Dunst den namibischen Frühling an und erschwerte Beobachtungen und Astrofotografie erheblich. Dies tat aber der Stimmung keinen Abbruch und meine Ausbeute an Rohbildern reichte mal wieder für mehrere Monate Bildbearbeitung.
Ich gehöre zur Fraktion der Astrofotografen unter den Hobbyastronomen. Die „Visuellen“ mögen die wahren Vertreter unserer Gattung sein, aber mir macht neben der Bildgewinnung auch die anschließende Bildbearbeitung bei der Astrofotografie große Freude. Auch bei schlechtem Wetter kann ich meinem Hobby frönen!
Nun ist ein Astrofoto immer ein Ausschnitt des gesamten sichtbaren Himmels, ein Fragment des großen Ganzen. Es zeigt, je nach Ausrüstung und Brennweite der verwendeten Optik, ein Objekt mit mehr oder weniger Details. Der Zusammenhang zum Nachbarobjekt und zur umliegenden Region des Himmels geht verloren. Daher rührt mein Traum, eine große Fotowand zu gestalten, die Himmelskoordinaten und vielleicht die Milchstraße schematisch aufzumalen und alle Astrofotos in korrekter Skalierung und Ausrichtung und mit hoher Auflösung darauf zu befestigen. Wie groß müsste diese Wand sein?
Eine Aufnahme mit dem allseits beliebten Kodakchip KAF-8300 bildet bei 1000 mm Brennweite im Querformat etwa 1 Grad des Himmels ab. Angenommen, die Aufnahme wird in DIN A4 ausdruckt, dann müsste die Wand mit maßstabsgerechte Koordinaten über 100 m lang sein lang sein, wenn ein 360°-Rundumblick dargestellt werden sollte. Das gibt unser heimisches Treppenhaus nicht her!
Aber man kann ja auch kleiner anfangen - das Stichwort ist Mosaik! Sternfelder, große oder benachbarte Objekte kann man als Ganzes oft nur mit Teleobjektiven einfangen. Allerdings ist die Winkelauflösung von Teleobjektiven mittlerer Brennweite recht gering. Ein oben genannter KAF-8300 hat bei 200mm Teleobjektiv eine „Pixelskala“ von etwa 5,6 Bogensekunden pro Pixel. Das heißt, pro Pixel wird ein Himmelsausschnitt von 5,6 Bogensekunden abgebildet. Selbst bei einem moderaten Seeing von 3 Bogensekunden werden dann die Sternabbildungen eckig.
Nach meiner Erfahrung erzielt man bei Übersichtaufnahmen mit hoher Auflösung mit einer Pixelskala zwischen 2 und 3 die besten Ergebnisse. Zwar ist man hier noch im Bereich des (neudeutsch) „Undersamplings“, aber die Sternabbildungen sind schön rund und das abgebildete Sternfeld ist nicht zu klein.
Nach dieser Überlegung hatte ich 2013 in Namibia ein Vierermosaik der Kleinen Magellanschen Wolke erstellt. Zwar gestaltete sich die Bearbeitung für einen Mosaikunerfahrenen mühselig, aber das Ergebnis fand ich sehr überzeugend. Daraus entstand der Plan, beim nächsten Besuch in Namibia ausschließlich Mosaike anzufertigen.
Als Ausrüstung stand mir dann 2015 ein Astrograph mit 430mm Brennweite und eine QSI583wsg mit dem schon erwähnten Chip von Kodak KAF-8300 zur Verfügung. Die Pixelskala liegt bei 2,6 Pixel pro Bogensekunde und das Bildfeld beträgt diagonal etwa 3 Grad.
Bild rechts: Takahashi Epsilon 130D (Eigentum) auf Takahashi EM200 (Kiripotib)
Kamera: QSI 583wsg (Eigentum)
Man achte auch auf die Farbe des Himmels …
Das erste Mosaik unten zeigt den bekannten Lagunennebels M 8 und den 3° östlich liegenden Nebelkomplex Simeis 188 (vielen Dank an Wolfgang Bernhardt für den Hinweis auf diese wunderbare Region).
Im südlichen Teil dieses Komplexes ist der helle Nebel NGC 6559, im nördlichen Teil sieht man eine Strömgren-Sphäre wie aus dem Lehrbuch, IC 1274.
Teleskop: Takahashi Epsilon 130D
Kamera: QSI583wsg
Montierung: Takahashi EM200
Aufnahmedatum: 09. & 16.09.2015
Belichtungszeit (R-G-B-L-Halpha):
16/20-16/20-16/20-16/40-80/60 Minuten
Während sich bei M 8 und Simeis 188 die Einzelbilder sehr stark überlappen, ist beim Mosaik links die Überlappung minimal. Abgebildet ist im unteren Bereich der Adlernebel M 16 und im oberen Bereich der Offene Sternhaufen NGC6604 mit den ihn umgebenden Gasnebeln. Hier handelt es sich um Sharpless 2-54 und der hellste Bereich ist Minkowski 1-88.
Die bräunliche Struktur südlich von NGC 6604 erscheint wie Staub, der vor dem Gasnebelkomplex liegt. Man beachte auch die unterschiedliche Färbung der HII-Komplexe: in M 16 ist der Blauanteil der empfangenen Strahlung deutlich höher als beim hellsten Teil des nördlichen Nebelkomplexes (Minkowski 1-88). Womöglich filtert und/oder streut hier interstellarer Staub bevorzugt die kurzwelligere Strahlung.
Die Überlappung der beiden Einzelbilder ist so gering, dass die üblicherweise verwendeten Programme zu Mosaikerstellung allesamt versagten (u.a. Microsoft ICE, PixInsight). Lediglich das von mir zur Datenreduktion verwendete Programm Theli lieferte das gewünschte Ergebnis, weil hier eine astrometrische Ausrichtung der Bilddaten anhand von Sternkatalogen vorgenommen wird. Folglich kann Theli auch dann noch ein „Mosaik“ erstellen, wenn sich die Einzelbilder gar nicht überlappen!
Teleskop: Takahashi Epsilon 130D
Kamera: QSI583wsg
Montierung: Takahashi EM200
Aufnahmedatum: 13. & 14.09.2015
Belichtungszeit (R-G-B-L-Halpha):
20/20-20/20-20/20-40/45-80/60 Minuten
Als nächstes ein Mosaik mitten aus der südlichen Milchstraße. Unten die Region um IC 1284 mit vielen Emissions-, Reflexions- und Dunkelnebel, oben M 24, die Kleine Sagittarius-Sternwolke und darüber die Dunkelwolken Barnard 92 (rechts) und Barnard 93 (links). Die obere Aufnahme des Mosaiks sieht für sich genommen wenig spektakulär aus. Sie ergänzt jedoch die untere Aufnahme sehr gut, weil nun großflächigere Strukturen erkennbar sind.
Teleskop: Takahashi Epsilon 130D
Kamera: QSI583wsg
Montierung: Takahashi EM200
Aufnahmedatum: 08. & 17.09.2015
Belichtungszeit (R-G-B-L-Halpha):
25/20-25/20-25/20- -/45-50/60 Minuten
Wer Mosaike erstellt braucht viel Zeit. Wer Mosaike aus vielen Bilder erstellt braucht sehr viel Zeit. Zwei Wochen Namibia hat es gebraucht, um trotz etwas ungünstiger Wetterverhältnisse das unten gezeigte Mosaik der Großen Magellanschen Wolke anzufertigen. In sechs Nächten wurde jeweils die zweite Nachthälfte für die insgesamt 11 Aufnahmen mit fast 20 Stunden Belichtungszeit genutzt. Und am Ende wurde die Zeit doch noch knapp um fertig zu werden!
Teleskop: Takahashi Epsilon 130D
Kamera: QSI583wsg
Montierung: Takahashi EM200
Aufnahmedatum: ab 10.09.2015 in sechs Nächten
Belichtungszeit (R-G-B-L-Halpha):
173-173-173-302-370 Minuten
Höhere Auflösung? Hier klicken Hier klicken (3840 x 2880 Pixel)
Diese Aufnahme ist mein bisher aufwändigstes Astrofoto – und das gleich in mancher Hinsicht. Es ist die Aufnahme mit den größten Abmessungen (ungefähr 10.000 px x 7.500 px), und entsprechender Dateigröße (etwa 400 Mbyte), die dazu führten, dass ich mir für die Bearbeitung einen neuen Rechner kaufen musste, mit der längsten Belichtungszeit und mit dem größten Zittern. Wenn nur eine Aufnahme nichts geworden wäre, dann würde jeder Betrachter sich nicht das Bild als Ganzes ansehen, sondern als erstes fragen: warum fehlt denn die linke obere Ecke (oder die rechte untere). Darum ein Rat: Fange bei einem großen Mosaik immer (!) mit der Aufnahme in der Mitte an. Wenn die am Ende fehlt, ist der Ärger groß!
Ich denke ich konnte zeigen, dass auch ohne Kamera mit Riesenchip und sündhaft teurer Optik mit sehr großem korrigiertem Bildfeld mit Hilfe von Mosaiken große Himmelsareale mit hoher Auflösung abgelichtet werden können. Man braucht eben mehr Zeit.
Die Möglichkeit das fertige Mosaik nicht rechteckig zuzuschneiden, sondern den fragmentarischen Charakter des Gesamtbildes zu belassen finde ich dabei sehr reizvoll. Es zeigt halt nur einen Ausschnitt vom ganzen Himmel…
Osnabrück, im April 2016
Gerd Althoff