Mitten in der Großen Magellanschen Wolke
Mein zweiter Astrourlaub auf Kiripotib
Im Frühjahr 2011 hatte ich zum ersten Mal das Glück in Namibia Astrourlaub machen zu dürfen. Ich bin hinterher aus dem Schwärmen nicht herausgekommen, habe monatelang meine Rohdaten bearbeitet, zwei Berichte geschrieben und schliesslich sogar über meine Erlebnisse und meine Bilder einen Vortrag bei der Osnabrücker Astro AG gehalten.
Natürlich wollte ich wieder nach Namibia zum Sternegucken, und ja, natürlich auch möglichst bald wieder. Aber schon im Herbst 2012, das hatte ich nicht erwartet. Namibia ist viel zu schön um immer nur nach oben zu gucken – mein kleiner Eindruck von Land und Leuten aus 2011 machte große Lust auf eine Rundreise. Meine liebe Frau und ich haben also für zwei Wochen eine ganz wunderbare Rundreise mit dem PKW durch das Land gemacht über die ich gern an anderer Stelle berichte.
Aber Andrea kennt ja meine Astropassion. Und da war es kein Thema, dass ich schon eine Woche vorher nach Namibia fliege und meinem Hobby fröne. Ich kann mich nicht erinnern, jemals in drei Wochen Urlaub so reich beschenkt worden zu sein – sowohl von den Sternen, als auch von dem Land. Und der Vollmondaufgang Ende September vor malerischer Kulisse in der Mushara Lodge beim Etosha Nationalpark war sensationell!
Die Sanddünen von Sossusvlei und ein bunter Gecko in der Epako Game Lodge (Fotos von Andrea Althoff)
Meine Wahl für die Unterkunft im Astrourlaub fiel erneut auf die Farm Kiripotib. Die Menschen dort sind sehr freundlich, das Essen ist super, die Gerätschaften sind gut, der Himmel ist dunkel. Ich hatte sechs mögliche Beobachtungsnächte - vom 11.09. 2012 bis zum 16.09.2013 - gebucht. Die beiden letzten Nächte waren überwiegend bewölkt, wobei es am 17.09 morgens gegen 2 Uhr aufklarte und wir noch einen sehr schönen Abschluss mit einem für Europäer ungewohnt hochstehendem Orion hatten. Wir – das war eine kleine aber feine Truppe aus drei Gästen und unserem Astrobetreuer Bernd Müller. Und – eher ungewöhnlich für Hobbyastronomen: ein gemischtes Doppel aus je zwei Damen und Herren.
Nun zu den klaren Nächten. Geringe Luftunruhen, gute Durchsicht, keinerlei Dunst. Aufbauen nach Sonnenuntergang. Beobachten und Fotografieren vom Dämmerungsende bis zum Morgengrauen. Abbauen bis zum Sonnenaufgang. Und, um es gleich zu sagen, astrofotografisch gab es mal wieder fette Beute. Wenn man so vier Nächte hintereinander mehr oder weniger "durchgemacht" hat, dann verbringt man den folgenden Tag reichlich wattiert und ich war am 15.09. den Wolken fast dankbar, weil ich endlich mal wieder ausschlafen konnte.
In welcher Jahreszeit fährt der Hobbyastronom am besten nach Namibia? Klar, jenseits von Vollmondzeiten und auch nicht im "Südsommer" von November bis April. Ich glaube, jemand der zum ersten Mal die Südhalbkugel zum Sternegucken bereist, ist mit der Zeit von Mai bis Juli bestens bedient. Das Band der südlichen Milchstraße, das Kreuz des Südens und unvergleichliche Objekte wie der Eta–Carinae–Nebel stehen nach Sonnenuntergang sowohl in bester Beobachtungsposition als auch hoch genug, um langbelichtete Aufnahmen machen zu können. Also besser der "Südherbst"!
Ich bin allerdings froh, bei meinem zweiten Astrourlaub im "Südfrühling" in Namibia gewesen zu sein. In dieser Zeit sind das Milchstraßenzentrum und später in der Nacht die Magellanschen Wolken gut erreichbar. Nach Dämmerungsende stehen zunächst der Skorpion und dann der Schütze im Zenit und es gibt bis Mitternacht beste Sicht auf viele Objekte, an denen man sich in Europa oftmals vergeblich abmüht. Und diesmal habe ich dann auch mein Lieblingssternbild gefunden: den Skorpion über den Himmel wandern und schliesslich untergehen zu sehen hat mich zutiefst beeindruckt.
In der zweiten Nachthälfte kommt die Zeit der Magellanschen Wolken. Die weniger spektakuläre Kleine Magellansche Wolke (SMC) steht um Mitternacht auf Kiripotib schon 40° über dem Horizont, die Große Magellansche Wolke (LMC) etwa 20°. Bei den Bedingungen in Namibia ist das hoch genug, um mit der Astrofotografie beginnen zu können. Langweilig – nur die Magellanschen Wolken? Zugegeben, auf der Südhalbkugel ist der Astrohimmel im September in der zweiten Nachthälfte nicht mehr voller Highlights. Ein erster Blick in die Sternkarten ist eher enttäuschend – aber ein zweiter Blick lohnt sich! Bei mir jedenfalls ließen die Aufnahme der Kleinen Magellanschen Wolke im H-alpha-Licht und ein Mosaik der Großen Magellanschen Wolke keine Langeweile aufkommen.
Darüber hinaus: wer noch eine Rundreise durch Namibia machen möchte, ist im "Südfrühling" wohl besser dran. Es kommen mehr Tiere an die Wasserlöcher in den Parks und die blühenden Dornbüsche und Jacarandabäume sind wirklich sehenswert.
Die Große Magellansche Wolke – Mosaik aus 14 Aufnahmen mit dem APO bei 525 mm Brennweite und der Canon EOS 60Da – die Größe des Mosaiks beträgt im Original rund 120 Megapixel
Die verwendeten Optiken und die Montierung hatte ich überwiegend, wie im Jahr zuvor, vorab auf Kiripotib gemietet, die Kameras mitgebracht. Als Ausrüstung stand mir 2012 zur Verfügung:
– Sigma APO–Teleobjektiv 150 mm/F2.8 (stets abgeblendet auf F/4, aus Deutschland mitgebracht)
– 107 mm APM-APO-Refraktor mit 700mm Brennweite (stets verwendet mit Reducer 525 mm/F4.9)
– 8"-RC von GSO mit 1600 mm Brennweite (stets verwendet mit Reducer 1090 mm/F5.5)
– Montierung Fornax 51 mit FS2-Steuerung
– QSI583wsg gekühlte Farbfilter-Astrokamera (aus Deutschland mitgebracht)
– Canon EOS 60Da astrofotooptimierte Spiegelreflexkamera (aus Deutschland mitgebracht)
Alle Komponenten haben sich bewährt und es gab wiederum keine nennenswerten technischen Probleme. Besonders hervorheben möchte ich die ausgezeichnete Abbildungsleistung des APM-APO-Refraktors mit Riccardi-Reducer und die hohe Auflösung der Canon-Kamera, die ich 2012 in Namibia zum ersten Mal eingesetzt habe. Der 8"-RC von GSO liefert mit dem Astro-Physics Reducer/Flattener ein ausgesprochen gutes Bild, allerdings habe ich ihn recht wenig eingesetzt, weil der APO für die vielen großflächigen Objekte am Südhimmel besser geeignet war. Zur Fornax muss man nicht viel sagen. Ein unermüdliches Arbeitstier – robust, genau, leise. Die QSI583wsg verwende ich seit September 2010. Das kompakte Gehäuse, die Strahlauskopplung für den Guider vor dem Filterrad und das störungsfreie Zusammenspiel mit MaximDL fallen mir immer wieder positiv auf. Ferner hatte ich noch einen guten – und vor allem leisen – Laptop dabei und das gutsortierte sogenannten „Schatzkästchen“ der Farm half wie immer bei allen Adaptionstücken.
Rechts: Technikgerödel - unerlässlich für Astrofotos
Erstmals habe ich durchgängig mit zwei Kameras parallel fotografiert, um bestimmte Himmelsareale gleichzeitig mit verschiedenen Brennweiten aufnehmen zu können. Dabei war in der Regel die QSI am APO angeschraubt (sehr gut!) und die Canon mit dem 150er Tele huckepack montiert. Beim nächsten Mal wird zur besseren Justage ein geeigneter Neiger für das Teleobjektiv mitreisen. Bei vielen Gasnebeln in der Milchstraße erschien es mir nämlich reizvoll eine Übersichtsaufnahme zu machen, um die Einbettung der Nebel in das Sternfeld zu zeigen. Insbesondere bei den beiden H-alpha-Regionen NGC 6334 und NGC 6357 ist das meines Erachtens sehr schön:
Der Katzenpfoten- und der Krabben-Nebel (NGC 6334 und NGC 6357) in einem dunklen Gebiet vor der Milchstraße (Canon EOS 60Da & Sigma Teleobjektiv 150 mm)
Der Krabben-Nebel NGC 6357 (QSI583wsg & APO bei 525 mm Brennweite mit verstärktem H-alpha-Kanal)
In dieser Himmelsregion mitten in der südlichen Milchstraße werden die Sterne offensichtlich durch Dunkelwolken ab-geschirmt – und vor der Dunkelwolke liegen die beiden Gasnebel. Der Erste hört auf den Namen „Katzenpfoten-Nebel“ (NGC6334), was offensichtlich ist, der Zweite (NGC6357) läuft unter „Krieg-und-Frieden-Nebel“ – was mir gar nicht so offensichtlich, oder auch unbegreiflich ist!
Es gibt eine Petition an die „International Astronomical Union“ diesen wunderbaren Nebel "Madokami Nebula" zu nennen. Ich persönlich bleibe bei „Krabbennebel“ und wer das Bild oben sieht, weiß warum. Eine Anmerkung zur vollständigen Verwirrung: M1 ist nicht der Krabbennebel, sondern der Krebsnebel, auch wenn er auf Englisch „Crab-Nebulae“ heißt!
Zu Hause habe ich alle Fotos (auch die der Canon) mit Theli kalibriert, teilweise den Rotkanal mit dem separat aufgenommenen H-alpha-Kanal verstärkt (siehe dazu das Verfahren von Mischa Schirmer, beschrieben auch auf meiner homepage), die Farbkanäle in MaximDL zu L-R(H-alpha)GB-Aufnahmen zusammengefügt und dann in Fitswork und Photoshop fertig bearbeitet. Stichwort "undersampling": die Kalibrierung von Aufnahmen mit dem 150er Tele in Theli gelingt nur mit einiger Übung. Der Aufwand wird jedoch mit perfekt ebenen Bilder, einer präzisen Ausrichtung und schöne runde Sterne belohnt. Für die Erstellung des Mosaiks der Großen Magellanschen Wolke wurde die Software I.C.E. (Image Composite Editor, freeware von Microsoft) verwendet, die nach meiner Erfahrung allen anderen "Stitch-Programmen" – zumindest bei Astrofotos – deutlich überlegen ist.
Wie schon nach dem ersten Astrourlaub in Namibia dauert auch diesmal die Auswertung der Daten sehr lange – und machte sehr viel Freude. Das Bearbeiten der Bilder und ein gewisser Stolz auf die gelungene Aufnahme kommen zuerst. Wenn man sich dann die Zeit nimmt, entdeckt man unglaublich viele Details und kann manchen Abend mit einem Sternatlas verbringen.
Ein Beispiel: im Bild rechts ist ein Ausschnitt aus dem Mosaik der Großen Magellanschen Wolke zu sehen. Rund ein Grad nördlich vom Tarantel-Nebel (NGC 2070) sind hier auf einer Fläche von etwa 40‘x60‘ fünf Gasnebel (NGC 2020, 2029, 2032, 2035 und 2040) sowie vier offenen Sternhaufen (NGC 2011, 2014, 2021 und 2053) zu sehen.
Ein Teil der GMC (siehe Text)
Ein 105x140 cm großer Abzug des Mosaiks (die Auflösung beträgt bei der Größe immer noch 250 dpi) kommt übrigens ins heimische Treppenhaus!
Im Anhang zu diesem Bericht (im pdf-download) findet sich eine Liste der von mir in 2012 auf Kiripotib gewonnen Astrofotos. Wie beim Bericht zu meinem ersten Astrourlaub in Namibia („Baden in Sternen“) ist auch diesmal ein zweiter Teil mit den besten Aufnahmen (insgesamt 13 Stück mit zusammen etwa 26,5 Stunden Belichtungszeit) und einer Tabelle mit allen Details in Arbeit.
Und zum Abschluss noch ein Hinweis in eigener Sache – alle gescheiten Aufnahmen werden auch wie üblich, wenn sie fertig sind, auf dieser Homepage veröffentlicht. Möchte jemand eine oder mehrere Aufnahmen mit höherer Auflösung sehen oder haben, dann bitte ich um Nachricht.
Ach ja – ich könnte schon wieder hinfahren! Wen wundert es nach diesem trüben Winter 2012/2013…
Osnabrück, im April 2013
Gerd Althoff