Wie man man H-alpha-Nebel besser sichtbar macht
Wird interstellares Wasserstoffgas der energiereichen Strahlung von heissen, jungen Sternen ausgesetzt, entstehen weithin sichtbare, sogenannte H-II-Gebiete (oder auch H-alpha-Nebel).
Die Strahlung der jungen Sterne ionisiert Wasserstoffmoleküle - sie trennt die Moleküle in ihre Atomkerne und Elektronen auf. Wenn die Elektronen rekombinieren, also auf ihre Schalen zurückfallen, dann senden sie Licht einer bestimmten Wellenlänge aus. Im Falle der H-alpha-Nebel ist es der Übergang von der dritt- auf die zweittiefste Schale, bei der Licht mit einer Wellenlänge von 656,3nm emittiert wird. Diese Nebel stehen in der Regel in Verbindung mit Gebieten erhöhter Sternentstehung.
Als Hobby-Astrofotograf mit besonderer H-alpha Leidenschaft war ich lange auf der Suche nach einer wissenschaftlich-technisch fundierten Methode, mit der (L-)RGB-Daten und Schmalband-H-alpha-Aufnahmen gemischt werden können, ohne die Farben im Sternfeld ausserhalb der H-alpha-Regionen zu verändern. Fündig wurde ich 2012 mit einer Methode von Mischa Schirmer, dem Programmierer von Theli.
Mit Kenntnis dieser Methode ist für mich die Erstellung kalibrierter und normierter (H-alpha-)RGB-Bilder hinreichend beschrieben und direkt in Theli umsetzbar (ab THELI GUI v2.7.1, für ältere Versionen siehe unten). Die Methode funktioniert offensichtlich hervorragend und vereinfacht die Reduktion der Daten und die Erstellung von H-alpha-RGB-Daten, weil nur noch ein Programm benötigt wird: Theli!
Hier nun einige Überlegungen und ein Besispiel zu Mischa Schirmers „(H-alpha-)RGB - Blending - Methode“:
Soll der Rot-Kanal einer RGB-Aufnahme durch die Addition einer H-alpha-Aufnahme modifiziert werden, muss der Rot-Kanal um einen bestimmten Faktor geringer gewichtet werden, damit die Farbbilanz nicht verändert wird. Wird dies nicht beachtet, verändert sich die Farbe der Sterne und womöglich bekommt die gesamte RGB-Aufnahme einen Farbstich.
Wird dem (angenommen idealen) Kontinuumstrahler „Stern“ ein Teil seiner Intensität im Rotkanal abgezogen, kann ihm dieser Teil durch den „Kontinuumsanteil“ im H-alpha-Kanal zurückgeben werden. Dann bleibt das Kontinuumsspektrum des Sterns unverändert, der H-alpha-Anteil verstärkt sich. Das Verhältnis der anzuwendenden Faktoren ergibt sich dabei aus dem Verhältnis der Durchlassbreiten der eingesetzten Filter (siehe Berechnung am Ende dieses Artikels).
Vielen Dank an Mischa Schirmer für Theli, für die Beschreibung dieser Methode zur besseren Visualsierung von H-alpha und für viele Tips für Hobby-Astrofotografen auf seiner homep
Im Folgenden ist eine Bildsequenz von IC1795, einem H-alpha-Nebel am Rande des Herznebels, mit verschiedenen Faktoren für die Verstärkung des H-alpha-Kanals dargestellt (Optik: GSO RC10“ bei F/5.3 (1340mm Brennweite), Kamera: QSI583wsg (je 6x300s RGB und 12x300s H-alpha), 17.01.2012 - Sternwarte Melle). Die Verstärkungsfaktoren sind: 1,0 - 1,8 - 2,6 - 3,4 - 4,2 und 5,0.
Die Bildsequenz zeigt, dass sich die Sternfarben nicht verändern, obwohl der H-alpha-Nebel immer deutlichere Konturen annimmt. Mir persönlich gefällt die Aufnahme mit 3,4facher oder 4,2facher Verstärkung am besten.
Es folgt ein link zu einer Animation (mit zwei Auflösungen), die ich mit dem Programm „Sqirlz Morph“ aus den oben gezeigten Bildern erstellt habe. Ich nenne das Ganze einfach mal eine "H-alpha-Pumpe" ...
Nun zur Theorie: Berechnung der Multiplikatoren für den Rot-Kanal und den H-alpha-Kanal zur der Verstärkung des H-alpha-Signals
Allgemein ausgedrückt ergibt sich für beliebige Durchlassbreiten der verwendeten Filter für die H-alpha- und Rotaufnahme:
Rotkanal * x + H-alpha-Kanal * y = Rotkanal(modifiziert)
wobei x und y die Faktoren sind, mit denen die Kanäle vor der Addition multipliziert werden.
Damit die Farbbilanz des fertigen Bildes nicht verändert wird, muss der modifizierte Rotkanal beim RGB-Komposit den gleichen Beitrag leisten wie der unmodifizierte Rotkanal. x und y sind dafür wie folgt voneinander abhängig:
y = (1 – x) * Q oder auch
x = 1 – (y / Q)
wobei Q der Quotient der Durchlassbreiten D (oder auch Halbwertsbreiten) der verwendeten Filter ist:
Q = D(Rot) / D(H-alpha)
Bei einem Rotfilter mit beispielsweise 60nm Halbwertsbreite und einem H-alpha-Filter mit 12nm Halbwertsbreite nimmt Q den Wert 5 an, bei 6nm Halbwertsbreite des H-alpha-Filters entsprechend 10.
Der zulässige Wertebereich für x liegt zwischen 1 und 0, mit den Grenzwerten
x = 1 Rotkanal = Rotkanal(modifiziert)
x = 0 Rotkanal = H-alpha-Kanal
Im ersten Fall bleibt der Rotkanal unverändert (keine H-alpha-Beimischung), im zweiten Fall wird der Rotkanal vollständig durch den H-alpha-Kanal ersetzt.
Soweit die Betrachtung im Kontinuum für ein unverfälschtes RGB-Komposit. Die Verstärkung V des H-alpha-Signals ergibt sich aus der Addition von x und y zu:
V = x + (1 – x) * Q
Die maximale Verstärkung ergibt sich, wenn der Rotkanal durch den H-alpha-Kanal ersetzt wird, also für x = 0:
V = Q
Das bedeutet, je schmalbandiger der H-alpha-Filter ist, um so höher ist die mögliche Verstärkung. Für die oben genannten Beispiele (Rotfilter 60nm Halbwertsbreite, H-alpha-Filter 12nm oder 6nm) ist also maximal eine 5fache oder eine 10fache Verstärkung erreichbar. Durch Umstellen der oben genannten Formel ergibt sich:
x = (V – Q) / (1 – Q)
Beispiel: für eine Verstärkung des H-alpha-Signals von 3 und einen Q-Wert von 5 ergibt sich durch Einsetzen das Wertepaar x = 0,5 und y = 2,5. Anders gesagt, wenn der Rotkanal halbiert wird, darf vor der Addition der H-alpha-Kanal mit 2,5 multipliziert werden, damit die Farbbilanz stimmt.
Und hier noch mal die alte Version dieses Berichts aus Februar 2012 im pdf-Format (für ältere THELI GUI Versionen bis v2.7.0).
Osnabrück, im März 2015
Gerd Althoff