Astrometrie - Theli - und die wahre Brennweite von Objektiven und Fernrohren
Theli von Mischa Schirmer ist ein unter Linux laufendes Programm zur „Reduktion“ von astro- und photometrischen Rohdaten in der Astrofotographie. Es ist ein wunderbares Programm, das
- Bias-, Flat- und Darkaufnahmen zur Kalibrierung mit den Rohbildern verrechnet,
- die astrometrische Ausrichtung der Bilder mit Hilfe von Sternkatalogen durchführt,
- die Rohbilder aufaddiert,
- die richtige photometrische Wichtung der Bilder der ver-schiedenen Farbkanäle an Hand von Katalogen festlegt
- und schliesslich die Bilder der einzelnen Farbkanäle ins tiff-Format umrechnet.
Nach der Bearbeitung in Theli steht ein fertiger Bildsatz der Farbkanäle, des Luminanzkanals und der eventuell verwendeten Schmalbandfilter für das (L-)RGB-Komposit zu Verfügung.
Ich verfolge hier nun den Ansatz, die in Theli gewonnenen astrometrischen Daten für einen Satz Rohbilder nach erfolgter Datenreduktion dafür zu nutzen, die Brennweiten der für eine Aufnahmen verwendeten Optiken sehr genau zu bestimmen.
Und das geht so: Beim astrometrischen Abgleich der Rohbilder mit geeigneten Sternkarten stehen in Theli verschieden Plots zur Verfügung, mit denen überprüft werden kann, ob Ausrichtung und Skalierung gelungen sind. Man gibt Theli die ungefähre Brennweite der Optik und die Kantenlänge der Pixel des Aufnahmechips an. Daraus errechnet sich die sogenannte Pixelskala (pixel scale) px zu (siehe auch Theli-Dokumentation):
px (arcsec) = 206,2 x Pixelgröße Chip / Brennweite der Optik
Diese, auf den Herstellerangaben der verschiedenen Geräte basierenden, Werte für die pixel scale (und natürlich die Himmelskoordinaten des Bildmittelpunktes) verwendet Theli in der Astrometrie als Startpunkte für eine sich wiederholende, mathematische Anpassungsroutine, die solange durchlaufen wird, bis die Abweichung zwischen den Positionen der Sterne aus dem Katalog und denen auf den Rohbildern minimal ist. Theli gibt einen Plot aus (fgroups) der zeigt, ob die Astrometrie gelungen ist oder nicht: ein skizziertes Sternfeld, in dem Sterne grün markiert sind, wenn die Katalogposition und die Bildposition übereinstimmen und rot, wenn es Abweichungen gibt (in den Abbildungen unten jeweils rechts zu sehen). Norden ist jeweils oben, daher sind die Bildausschnitte jeweils etwas "schief"!
Weiterhin gibt Theli einen Plot aus, in dem die pixel scale mit dem kleinsten Fehler bei der astrometrischen Berechnung und die Variation der pixel scale über das Bildfeld gezeigt wird. Der Plot heisst „distortion map“ (in den Abbildungen jeweils links und in der Mitte). Nach Ablesen der pixel scale aus der „distortion map“ für die Bildmitte und für die Bildecken habe ich die „wahre“ mittlere pixel scale px(w) näherungsweise zu
px(w) = (px(max) + px(min)) / 2
berechnet um daraus die „wahre“ Brennweite der verwendeten Optik zu ermitteln:
Brennweite der Optik = 206,2 x Pixelgröße des Chips / px(w)
Voraussetzung sind natürlich entsprechend genaue Sternkarten und exakte Herstellerangaben über die Pixelgröße des Chips der Kamera. Weiterhin ist natürlich zu beachten, dass beim Einsatz eines Reducers und/oder Flatteners die vom Hersteller angegebenen Abstände zum Aufnahmechip sehr genau eingehalten werden.
Im Folgenden habe ich für die von mir in den letzten Jahren verwendeten Optiken die Plots zusammenkopiert und „wahre“ Brennweiten und Standardabweichungen zurückgerechnet - mit teilweise überraschendem Ergebnis!
150mm Teleobjektiv
Sigma MAKRO 150mm F2.8 EX DG (abgeblendet auf F4) mit Kamera SBIG ST-4000 XMC (verwendeter Chip: Kodak KAI4020 mit 2048 x 2048 Pixeln, Pixelgröße 7,4 Mikrometer, Chipdiagonale 25,1 mm), Aufnahmefeld: IC417
Ermittelte Brennweite: 147,0 mm (-2,00%), Standardabweichung der Brennweite im Bildfeld: 0,48 mm (0,33%)
APO Refraktor mit 525mm Brennweite
APM APO Refraktor 107/700 (mit Riccardi-Reducer) mit Kamera QSI583wsg (verwendeter Chip: Kodak KAF8300 mit 3326 x 2504 Pixeln, Pixelgröße 5,4 Mikrometer, Chipdiagonale 22,5 mm), Aufnahmefeld: NGC6357
Ermittelte Brennweite: 525,7 (0,14%), Standardabweichung der Brennweite im Bildfeld: 1,16 mm (0,22%)
Astrograph mit 600mm Brennweite
Officina Stellare RH200 mit Kamera QSI583wsg (verwendeter Chip: Kodak KAF8300 mit 3326 x 2504 Pixeln, Pixelgröße 5,4 Mikrometer, Chipdiagonale 22,5 mm), Aufnahmefeld: NGC2237
Ermittelte Brennweite: 600,4 mm (0,07%), Standardabweichung der Brennweite im Bildfeld: 1,13 mm (0,19%)
Schmidt-Newton mit 1000mm Brennweite
Meade LXD75 10“-Schmidt-Newton (mit Moonlite CR2-Okularauszug) mit Kamera SBIG ST-4000 XMC (verwendeter Chip: Kodak KAI4020 mit 2048 x 2048 Pixeln, Pixelgröße 7,4 Mikrometer, Chipdiagonale 25,1 mm), Aufnahmefeld: IC5067
Ermittelte Brennweite: 1014,1 mm (1,41%), Standardabweichung der Brennweite im Bildfeld: 0,61 mm (0,06%)
Ritchey-Chrétien-Cassegrain mit 1340mm Brennweite
GSO 10“-RC (mit Astro-Physics 0,67x Reducer/Flattener) Kamera QSI583wsg (verwendeter Chip: Kodak KAF8300 mit 3326 x 2504 Pixeln, Pixelgröße 5,4 Mikrometer, Chipdiagonale 22,5 mm), Aufnahmefeld: NGC896
Ermittelte Brennweite: 1256,6 mm (-6,23%), Standardabweichung der Brennweite im Bildfeld: 0,80 mm (0,06%)
Schmidt-Cassegrain mit 1575mm Brennweite
Meade LX200 10“-Schmidt-Cassegrain (mit Meade 0,63x Reducer/Flattener) mit Kamera SBIG ST-4000 XMC (verwendeter Chip: Kodak KAI4020 mit 2048 x 2048 Pixeln, Pixelgröße 7,4 Mikrometer, Chipdiagonale 25,1 mm), Aufnahmefeld: NGC6888
Ermittelte Brennweite: 1975,3 mm (25,41%), Standardabweichung der Brennweite im Bildfeld: 2,56 mm (0,13%)
Nach dieser Auswahl hier eine Tabelle mit der Zusammenfassung aller Ergebnisse:
Hersteller der Optik | Bezeichnung der Optik | zusätzlicher Flattner/Reducer und effektive Brennweite laut Hersteller (mm) | verwendete Kamera | Wahre Brennweite (mm) | Abweichung zur Herstellerangabe (mm und %) | Standardabweichung der Brennweite im Bildfeld (mm und %) | |||
Sigma | 150mm F2.8 EX DG | − | 150 | SBIG ST-4000XCM | 147,00 | -3,00 | -2,00% | 0,48 | 0,33% |
Sigma | 300mm F2,8 EX DG | − | 300 | SBIG ST-4000XCM | 289,40 | -10,60 | -3,53 | 0,58 | 0,20% |
APM | APO 107/700 | Riccardi x0,75 | 525 | QSI583wsg | 525,72 | 0,72 | 0,14% | 1,16 | 0,22% |
TS | Triplett APO 90 | TS Flattener 2 | 600 | QSI583wsg | 595,60 | -4,40 | -0,73% | 1,27 | 0,21% |
Officina Stellare | Veloce RH200 | − | 600 | QSI583wsg | 600,42 | 0,42 | 0,07% | 1,13 | 0,19% |
Meade | 10" Schmidt-Newton | − | 1000 | SBIG ST-4000XCM | 1014,08 | 14,08 | 1,41% | 0,61 | 0,06% |
GSO | 8" RC | Astro Physics x0,67 | 1090 | QSI583wsg | 1081,68 | -8,32 | -0,76% | 0,63 | 0,06% |
GSO | 10" RC | Astro Physics x0,67 | 1340 | QSI583wsg | 1256,56 | -83,44 | -6,23% | 0,80 | 0,06% |
Meade | 10" LX200 | Meade x0,63 | 1575 | SBIG ST-4000XCM | 1975,25 | 400,25 | 25,41% | 2,56 | 0,13% |
Meade | 10" LX200 | − | 2500 | SBIG ST-4000XCM | 2787,50 | 287,50 | 11,50% | 1,78 | 0,06% |
Fazit
Die „wahre“ Brennweite der aufgeführten Optiken stimmt teilweise sehr gut mit den Herstellerangaben überein. Beim RH200 von Officina Stellare beträgt die Abweichung gerade 0,07%! Die Brennweite meines guten LX200 weicht dagegen um 11,5% von der Vorgabe ab. Mit Reducer sind es gar über 25%, aber hier spielt der unkritische Arbeitsabstand des Reducers zum Chip (je nach Quelle zwischen 50mm und 120mm) wohl eine entscheidende Rolle.
Die Standardabweichung der Brennweite im Bildfeld ist bei allen Geräten recht ähnlich. Sie wird mit abnehmender Lichtstärke der Optik geringer. Die niedrigste Standardabweichung zeigen der Schmidt-Newton von Meade und die RC’s von GSO.
Osnabrück, im März 2014
Gerd Althoff